Moin!
In etwas mehr als einem Monat ist es 29 Jahre her dass in Mölln zwei Häuser brannten. Die Häuser der Familie Arslan und der Familie Yaşar. Einer von vielen rechtsextremen Anschlägen der 90er Jahre in der gesamten Bundesrepublik, ob in Lübeck, Rostock oder Hoyerswerda.
Die Häuser in unserer direkten Nachbarschaft wurden angezündet von 2 Neonazis, mit insgesamt 9, zum Teil schwer, Verletzten und 3 Toten. Die beiden Mädchen Yeliz Arslan und Ayşe Yılmaz sowie ihre Großmutter Bahide Arslan kamen in den Flammen um. Yeliz Arslan war zu diesem Zeitpunkt erst 10 Jahre alt und besuchte die 2te Klasse der Möllner Grundschule. Ihr damals siebenjähriger Bruder Ibrahim überlebte nur da die Großmutter Bahide Arslan ihn in ein nasses Bettlaken eingewickelt hatte. Yeliz Mutter sprang mit dem acht Monate alten zweiten Bruder aus dem 2. Stock des brennenden Hauses und zog sich eine doppelte Beckenfraktur zu.
Ayşe Yılmaz war die vierzehnjährige Cousine von Yeliz. Sie war lediglich zu Besuch in Mölln. Beim vermeintlich netten Besuch ihrer Familie wurde sie wie die anderen aus rassistischen Gründen grausam ermordet.
Im Angesicht dieser schrecklichen Tat verpasste die Stadt Mölln eine angemessene Reaktion. Im Gegenteil. Sie ließ die Familie im Stich. Sie mussten sich engagieren für einfache Unterstützung seitens der Stadt, kämpfen darum, verletzt und traumatisiert den Alltag zu bewältigen, wieder Papiere zu erlangen und ein neues Haus zu finden. Die Stadt Mölln zwang sie sogar erneut in das Haus des Anschlags zu ziehen, da angeblich kein anderes zur Verfügung stand. Die Presse verleumdete sie trotz Zeugen und Bekenneranrufen als Zuhälter um die Neonazis zu schützen. Die Polizei schikanierte die Familienmitglieder regelmäßig. Selbst dafür, dass der Anschlag auf der Gedenktafel als rassistisch benannt wurde musste die Familie sich engagieren. Ibrahim Arslan kämpfte 11 Jahre für seine Opferentschädigungsrente!
In einer perfiden Täter-Opfer- Umkehr versuchte die Stadt Mölln das Gedenken der Familie Arslan als zu politisch zu diffamieren und organisierte 10-Jahre Gedenkveranstaltungen ohne Absprache mit der Familie. Die Stadt sah sich durch den schlechten Ruf des Brandanschlages als Opfer. Ohne Scham, Trauer, Reue oder Respekt gegenüber den Verstorbenen.
Und doch, 28 Jahre nach ihrer Ermordung, lassen wir es als Gesellschaft wieder zu, dass Neonazis auf unseren Straßen offen auftreten. Dass sie sich mit Klamotten und Tattoos als eben jene Menschenfeinde und Mörder zu erkennen geben. Dass sie antifaschistische Jugendliche, Genoss*innen von uns und Migrant*innen am helllichten Tag auf der Straße attackieren. Dass wieder geschmierte Hakenkreuze in unseren Nachbarschaften auftauchen. Und dass wir genau jene Gleichgültigkeit aus Politik und Gesellschaft erleben die damals das unaussprechliche erst möglich gemacht hat.
Der Faschismus war nie weg. Heutzutage sitzt er in Form der AFD wieder in Parlamenten, er zeigt sich in Polizei und Bundeswehr, er bewaffnet sich zunehmend und er mordet wie damals in Mölln. NSU, Hanau und Halle, jener Anschlag welcher sich gestern zum 2. Mal jährte, alle diese Attentate der extremen Rechten zeigen leider ganz deutlich eines. Jüdisches und migrantisches Leben ist in der Bundesrepublik nicht sicher. Antifaschist*innen werden weiterhin gezielt bedroht und angegriffen.
Dies bewies uns unter anderem der rechte Tötungsversuch an Genoss*innen in Henstedt-Ulzburg. Auch diverse Repressionen gegen die radikale Linke sollten uns eines klar machen: Auf die Behörden ist kein Verlass. Sie versuchen antifaschistisches Engagement zu delegitimieren und zu kriminalisieren.
Deshalb liegt es an uns. Uns, als antifaschistische Linke und als tolerante, weltoffene Teile der Zivilgesellschaft. Wir alle müssen erinnern lernen und wir alle müssen aus diesen Erinnerungen lernen. „Kein Vergeben, Kein Vergessen“ darf keine Phrase bleiben. Wir alle sind gefragt uns zu engagieren und diesen rechten Umtrieben entgegenzutreten. Ob im Herzogtum, in Lübeck, Mecklenburg-Vorpommern oder im Kreis Pinneberg. Überall dort wo die Faschisten aktiv werden müssen wir uns ihnen entgegen stellen.
Um es abschließend mit den Worten Ibrahim Arslans noch einmal zu sagen: „Solidarische Menschen haben uns gezeigt, dass wir hierbleiben können“.
Auf eine praktische Solidarität mit den Betroffenen rechter Gewalt! Freiheit für Lina, Freiheit für Findus, Freiheit für alle Antifas!
Alerta!